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Das Ding mit dem Gluten oder: warum wir kein Getreide mehr essen – Was ist Gluten – Teil #1

Das Wort “” wird als Werbung genutzt und macht gute Umsätze, das kann man nicht bestreiten. Aber was ist denn wirklich dran?

Für viele wird es mittlerweile sogar zum Reizwort. Jeder zweite Öko-Vegan-Hipster ernährt sich in der Öffentlichkeit glutenfrei und trägt die Info auch auf dem T-Shirt. Das steigert nicht unbedingt die Glaubwürdigkeit der Argumente, aber falsch sind sie deswegen noch nicht.

Wie wir zu diesem Thema stehen weißt du ja vermutlich schon. Aber am Ende des Artikels weißt du auch, warum. Im Detail.


Das Video wird von YouTube eingebettet abgespielt. Es gilt die Datenschutzerklärung von Google.

“Glutenfrei” ist ein Buzzword im Supermarkt

Wenn es nach Marketingabteilungen der großen Lebensmittelmärkte gehen würde, dann wären alle Produkte light, zero, vegan, glutenfrei, weizenfrei, fettarm, , antibiotikafrei, bio, FairTrade, regional und hätten darüber hinaus außerdem eine äußerst gute CO²-Bilanz. 

Weil jedes dieser Prädikate kann mit 10% Preisaufschlag geahndet werden.

Ist nämlich gesund und verantwortungsvoll. 

Ja, natürlich. Das ist alles cool und irgendwie sinnvoll. Vielleicht mal von vegan und fettarm abgesehen *hüstel*. Aber am Ende scheren sich die Konzerne herzlich wenig darum. Denen geht es nicht um Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt, sondern um die Verantwortung gegenüber ihren Aktionären.

Und das ist in gewissem Maß auch in Ordnung und richtig so. Konzerne, auch Lebensmittelkonzerne sind zuallererst mal Wirtschaftsunternehmen. Man kann alles übertreiben, aber es hat auch alles seinen Platz. 

Die Verantwortung liegt aus meiner Sicht bei uns Verbrauchern. Bildung und Wissen sind die Grundlage für informierte Entscheidungen und der Schlüssel zu eigenverantwortlichem Handeln. 

Also, was kaufe ich denn da, wenn ich glutenfreie Nudeln oder Kekse kaufe und ist das damit automatisch gesund? Brauche ich das überhaupt?

Ein kleines Stück Geschichte

In den Niederlanden gab es am Ende des zweiten Weltkriegs, im Winter 1944-45, eine Hungersnot. Und eine deutliche Anzahl am Gee-Herter-Syndrom erkrankter Kinder wurde plötzlich deutlich weniger krank. Dieses Syndrom umfasste ernsthafte Verdauungstörungen und Darmschädigungen, die ohne Behandlung regelmäßig zum Tod der Patienten führten. Wie passt das zusammen?

Nuja, während der genannten Hungersnot wurden viele “normal” wie Brot und andere Getreideprodukte sehr rar – wie das Hungersnöte so an sich haben. Und plötzlich wurden die bewussten Kinder gesund oder zumindest weniger krank als vorher. 

Schwedische Hilfsmaßnahmen z. B.durch Lieferungen von Mehl, Graupen, Gemüse und anderen Dingen haben den “Hongerwinter” später entschärft und die Kinder wurden auch prompt wieder krank und kränker. 

Für Kinderarzt Dr. Willem Dicke war der Zusammenhang schnell klar und demnach auch die zugehörige Behandlung: glutenfreie Ernährung. Dicke gilt als Entdecker der Zöliakie und Pionier auf dem Gebiet der Erforschung von Gluten. 

Was ist Gluten

Bei Gluten handelt es sich zunächst mal einfach um ein Protein bzw. Proteingemisch, das in Weizen und vielen anderen Getreidesorten enthalten ist. Es wird oft als “Weizenkleber” oder “Klebereiweiß” bezeichnet und ist in jedem Lebensmittel drin, in dem z.B. Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Dinkel oder Grünkern (+ ein paar weitere, weniger übliche Sorten) enthalten ist. 

Anmerkung: Streng genommen ist Gluten selber nur in Weizen vorhanden; andere Getreidesorten enthalten andere, Gluten-ähnliche Stoffe wie zB Hafer hat Avenin, Hordein ist in Gerste und Secalin in Roggen und so weiter. Für unseren Zweck ist das aber genau genug und wir nennen es jetzt alles “Gluten”, da die Auswirkung auf das echte Leben dieselbe ist. 

Gluten hat in den Pflanzen selbst zweierlei Wirkung. Erstens ist es ein Speicherprotein, also ein Teil der Nährstoffversorgung für die Abkömmlinge, die Getreidekörner, aus denen neue Pflanzen wachsen sollen. 

Die andere Funktion ist der Schutz vor Fressfeinden. Getreide kann, wie alle Pflanzen, ziemlich schlecht wegrennen. Insofern müssen andere Schutzmechanismen her, damit das Überleben der Gattung gesichert bleibt. Gluten stört dabei die Verdauung der Fressfeinde und sorgt dafür, dass die Körner größtenteils unverdaut wieder ausgeschieden werden. Es schwächt aber auch die Immunabwehr vieler Tiere, blockiert verschiedene Enzyme und stimuliert bestimmte Hormone zu ungünstigen Zeiten. 

Das alles soll die Pflanze vor Schäden schützen und das Überleben sichern. 

Glutenin und Gliadin

Gluten ist, wie oben erwähnt, ein Proteingemisch. Es besteht aus zwei eigenständigen Proteinen, die aber zusammenhängen. Nicht auf molekularer Basis, sondern eher wie zwei Paar Handykopfhörer in der Hosentasche.

Genauer gesagt bilden die beiden Proteine eigentlich erst das zähe, gummiartige Gluten, das wir aus einem Weizenteig kennen, wenn die Proteine durch Flüssigkeit aktiviert wurden und der Teig verknetet ist. Dann haben wir diese Elastizität und feste Bindung, die Getreideteigen die gewünschte Struktur gibt. Und die natürlich bei Low Carb Teigen fehlt – eben mangels Gluten.

Das eine, namensgebende Protein ist “Glutenin”. Glutenin ist zwar bioaktiv, tut aber in unserem Verdauungssystem nicht viel erwähnenswertes. In der Pflanze ist es das Speicherprotein, das der neuen Pflanze Eiweiß zum Wachstum liefert und macht auch den größeren Teil der gesamten Eiweißmenge aus. In Bezug auf das Allergie- oder Zöliakiepotenzial scheint Glutenin weniger potent zu sein. Es gibt aber immer mal wieder Hinweise – beispielsweise von der Deutschen Zöliakiegesellschaft 2009 – dass Glutenin nicht “egal” ist und durchaus auch Gefahren birgt. 

Gliadin ist das zweite relevante Protein im Verbund. Hier liegt die tatsächliche Problematik begraben. Gliadin ist die aktive Komponente im Gluten, die die bekannten Probleme verursacht, welche mit Zöliakie und Glutensensitivität in Verbindung gebracht werden.

Und diese Liste ist lang und unangenehm: 

  • Verdauungsprobleme wie Durchfall, Blähungen, Fettstuhl und Meteorismus (Blähbauch)
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Anämien wie Eisen- oder Vitaminmagelerscheinungen
  • Osteoporose und Zahnschmelzdefekte
  • Blutungen (z.B. Unterblutungen in der Haut)
  • Neurologische Störungen wie Depressionen, Persönlichkeitsveränderungen oder Psychosen
  • anhaltende Muskelkrämpfe und Gewebeschwund (Tetanie und Atrophie)
  • Fruchtbarkeitsstörungen und Fehlgeburten
  • Unerwünschter Gewichtsverlust
  • Wachstumsstörungen und Kleinwüchsigkeit
  • allgemeiner Energiemangel, Mattigkeit und Müdigkeit
  • Hautausschläge wie DHD (Dermatitis Herpetiformis Duhring)

Und noch eine ganze Menge weiterer spezifischer und unspezifischer Symptome. Bei Zöliakiepatienten sowie stark glutensensitiven Menschen können alle Organe auf ganz unterschiedliche und unerwartete Weise betroffen und beeinträchtigt werden.  Und das ist alles auch so unangenehm wie es klingt. 

Der Grund für all das ist, dass Gliadin bei diesen Patienten akut starke Entzündungen verursacht, die sich im ganzen Körper manifestieren können. 

Aber das ist nicht alles. Langfristig schadet Gliadin prinzipiell auch jedem Menschen, der nicht akut mit Entzündungen reagiert und das dementsprechend sofort bemerkt.


Und damit sind wir schon am Ende des ersten Teils unserer kurzen Artikelserie. Nächsten Mittwoch geht es mit ähnlichen Themen weiter, unter anderem warum Gluten auch für nicht an Zöliakie erkrankte oder nicht diagnostizierbar glutensensitive Menschen problematisch sein kann.

Viele Grüße
Nico

Hier geht's weiter:
Teil 2: Ist Gluten für jeden schädlich?
Teil 3: Warum ist Gluten plötzlich schlimm?

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Über Nico

Avatar-FotoNico ist Ernährungsberater, zertifizierter Fastenleiter und Keto-Experte. Er ernährt sich selbst seit 2014 Low Carb mit ketogenen Phasen. Bisher hat er damit über 40 kg abgenommen und hilft anderen, ihre durch Ernährungs- und Lebensstiländerungen zu verbessern.

Weiterbildungen: Ernährungs- und Gesundheitsberater (Isolde Richter), Fastenleiter (Isolde Richter)

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Irene Keßler

Thursday 18th of July 2019

Spitze, deine Informationen, Danke, Nico. Durch mein Backhobby weiß ich auch, dass den Mehlen in Frankreich noch zusätzlich Gluten zugefügt wird, dadurch wird ja auch das Baguette (die Flute) so knusprig. Aber ich gehöre allem Anschein und nach den gemachten Erfahrungen nach zu den Menschen, die auch ohne Zöliakie auf Gluten verzichten sollen/müssen. Um so wertvoller sind für mich all die tollen Rezepte und Anregungen durch euch, die ich gerne immer wieder weiterempfehle. Viele Grüße - Irene