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Kalorien zählen? Grundumsatz und Leistungsumsatz

“Wie viele Kalorien darf ich bei Low Carb essen?” ist eine der häufigsten Fragen, die uns erreichen. Und die Antwort ist vielschichtig und individuell.

Eigentlich ist Low Carb als Ernährungsform – wie wir es betreiben und wie es von Schwesterformen wie definiert wird – keine Reduktionsdiät, die dich auf eine bestimmte Kalorienmenge einschränkt.

Das ist auch gut so, denn Kalorienreduktion ist nicht die Lösung. Naja, nicht die alleinige Lösung zumindest.

Aber wenn wir den Tatsachen und der täglichen Realität ins Auge sehen, dann gibt trotz allem noch die Thermodynamik und Kalorien rein vs. Kalorien raus hat Wirkung und Relevanz. Natürlich ist nicht jede Kalorie gleich und wir können aufgrund der reinen Energieangabe aus dem Bombenkalorimeter nur bedingt Rückschlüsse über oder ein Ernährungsprotokoll ziehen. Und dennoch: Kilokalorien stehen uns als grobe Maßeinheit zur Verfügung und wir betrachten sie als einen der relevanten Faktoren.

Grundumsatz, Leistungsumsatz und Tracking

Aber damit wir damit irgendwie arbeiten können, müssen wir erstmal uns selbst kennenlernen und ein paar Fragen über uns selbst klären.

Weil, wenn ICH 500 kcal am Tag einspare, dann mag das in Ordnung sein. Wenn Vroni das tut, sieht es schon ganz anders aus.

Warum? Weil ich ungefähr Vroni multipliziert mit 1,5 bin. Dieselbe absolute Defizit-Empfehlung wäre völlig für uns beide völlig sinnfrei, das Verhältnis muss stimmen.

Verhältnis zu was?

Grundumsatz, Leistungsumsatz, Gewicht, Größe – das hängt alles zusammen.

Was ist Grundumsatz?

Dein Grundumsatz einer der wichtigsten Werte, die du über dich selbst wissen solltest. Das Dilemma ist, dass du fast keine Möglichkeit hast, den Wert exakt zu kennen.

Also. Grundumsatz.

“Sein”, also pures, unbewegtes Leben, verbraucht Energie. Deine Organe arbeiten, du produzierst Wärme, dein Herz schlägt, deine Verdauung arbeitet und dein Gehirn regelt das alles. Dieser Gesamtprozess ist (im Normalfall) der höchste Energieverbraucher – einfaches Leben.

Zum Grundumsatz zählt auch nur genau das. Also keine einzige Bewegung, kein Schritt und nicht mal scharfes Nachdenken (das sich durchaus kalorisch auswirkt).

Zur Ermittlung deines genauen Grundumsatzes gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit (die mir bekannt wäre): die Stoffwechselkammer. Eine Stoffwechselkammer ist ein kompliziertes, großes und vor allem sehr teures Messinstrument, das vorrangig in größeren medizinischen Instituten verwendet wird.

Letztendlich ist eine Stoffwechselkammer ein hermitsch abgeriegelter Raum, in dem du eine definierte Zeit verbringst und dort vorgegebene (oder gar keine) Tätigkeiten durchführst. Die Stoffwechselkammer kann dann die Temperaturveränderungen, die Veränderungen der Gaszusammensetzung im Raum und viele andere Werte ohne Einfluß von aussen messen. Daraus ergibt sich dann dein Energieumsatz. Das ist äußerst exakt und so nah an der Wahrheit, wie es im Moment geht.

Und mit “teuer” meine ich durchaus ernst. Eine Stoffwechselkammer kann von knapp einer Million Euro bis hin zu mehreren 10 Millionen Euro kosten – je nach Größe und Ausstattung.

Das ist für Zuhause, Ernährungsprofis oder auch nur kleine und mittlere medizinische Insititute nicht praktikabel oder erschwinglich. Und man kann als interessierter Privatanwender auch nicht einfach zum Max-Delbrück-Centrum in Berlin gehen und sagen “Ey, darf ich mal ein paar Stunden in eure Stoffwechseldings? Ich muss meinen Grundumsatz wissen…”. Und selbst wenn das ginge (und bezahlbar wäre), dann wäre die Warteliste so lang, dass du vermutlich 2 Jahre oder länger auf einen Termin warten müsstest.

Eine viel ungenauere, aber machbare und kostenlose Möglichkeit, deinen ungefähren Grundumsatz zu ermitteln, ist: ausrechnen.

Dafür gibt es verschiedene Formeln, die ein paar standardisierte Faktoren in Betracht ziehen. Bei den beiden popuilärsten Formeln sind das Alter, Größe, Geschlecht und Gewicht.

Überschlagsrechnung
Die ungenaueste Formel, die eigentlich nur zum schnell im Kopf ausrechnen gedacht ist, ist gleichzeitig natürlich die einfachste.

Einfache Formel
Männer: [Gewicht in kg] x 1 x 24 = GU in kcal pro Tag
Frauen: [Gewicht in kg] x 0,9 x 24 = GU in kcal pro Tag

Bei einem 100 Kilo-Mann kommen damit einfach 2400 kcal raus. Das ist eine sehr, sehr große Berechnung, die im Regelfall etwas zu hoch liegt. Ich persönlich würde hier im Kopf nochmal 10-20 % abziehen um ein halbwegs sinnvolles Ergebnis zu bekommen.



Die meist verwendete Formel bis heute wurde im Jahr 1919 von J.A. Harris und F.G. Benedict ermittelt. Hier werden die oben genannten Variablen in Betracht gezogen und mit ein paar Konstanten multipliziert, die du am Besten nicht auswendig lernen willst.

Jeweils für den Grundumsatz in kcal pro 24 Stunden:


Männer: 66,47 + ( 13,7 * [Gewicht in kg] ) + ( 5 * [Größe in cm] ) – ( 6,8 * Alter in Jahren] )
Frauen: 655,1 + ( 9,6 * [Gewicht in kg] ) + ( 1,8 * [Größe in cm] ) – ( 4,7 * Alter in Jahren] )

Das klingt erstmal alles sehr willkürlich, liefert aber anständige Ergebnisse.


Mifflin-St.-Jeor von 1990
Neueren Ursprungs ist die Formel von Mifflin, St. Jeor et al. aus einer Studie von 1990. Hier wurde versucht, den verringerten Grundumsatz durch den veränderten Lebensstil der letzten 100 Jahre anzupassen. Will heißen: wir sitzen mehr und haben im Schnitt einfach weniger körperliche Aktivität als früher.

Auch die MJ-Formel is nicht besonders sexy anzusehen.

Jeweils für den Grundumsatz in kcal pro 24 Stunden:

Mifflin-St.-Jeor Formel
Männer: ( 9,99 x [Gewicht in kg] ) + ( 6,25 x [Größe in cm] ) – ( 4,92 x [Alter in Jahren] ) + 5
Frauen: ( 9,99 x [Gewicht in kg] ) + (6,25 x [Größe in cm] ) – ( 4,92 x [Alter in Jahren] ) – 161


Katch-McArdle von 2006
Als genaueste, aber bislang am wenigsten gebräuchliche Formel der drei, gilt die Formel von Katch-McArdle. Der wichtigste Faktor ist hier der Körperfettanteil bzw. die fettfreie Körpermasse. Das ergibt durchaus Sinn, aber die meisten Anfänger haben einfach keine Vorstellung vom eigenen Körperfettanteil, sodass hier etwas Alltagstauglichkeit verloren geht.

Der Grund für diese Berechnung ist, dass Fettmasse quasi keine Kalorien verbraucht, weil Depotfett direkt (quasi) keine Energie verbraucht und nur die Arbeit erhöht, die die Muskelmasse verrichten muss (sprich: mehr schleppen).

Wenn man den eigenen Körperfettanteil aber kennt, dann kann man hiermit durchaus einiges anfangen und ein recht präzises Ergebnis (für eine generalisierte Formel) erhalten.

Katch-McArdle Formel
Grundumsatz in kcal pro 24 Stunden = 370 + ( 21.6 x [FFM in kg] )
FFM (Fettfreie Masse) = ( [Gewicht in kg] x ( 100 – [KFA in %] ) ) / 100

Ergebnisse der Formeln für Vroni und mich
Vroni: 38 Jahre, 159 cm, 66 kg, 24 % KFA
Nico: 39 Jahre, 183 cm, 100 kg, 29 % KFA

VroniNico
Überschlag1425 kcal2400 kcal
1396 kcal2086 kcal
Mifflin-St.-Jeor1305 kcal1955 kcal
Katch-McArdle1443 kcal1918 kcal

Die Ergebnisse unterscheiden sich ja ziemlich deutlich und was mir auffällt ist, dass der errechnete Grundumsatz sinkt, je neuer die zugrunde liegende Formel ist. Vermutlich ist das sogar sinnvoll, weil unser allgemeiner Lebensstil doch immer wieder inaktiver wird.

Schreibtisch-Berufe sind eher die Regel als die Ausnahme und die Arbeit im produzierenden Gewerbe und der Industrie wird auch immer weiter automatisiert und durch Maschinen gestützt. Natürlich gibt es trotzdem noch körperlich anstrengende Berufe, speziell in der Alten- und Krankenpflege, im Baugewerbe und anderes kann schon sehr fordernd sein. Aber auch da hält Technik kräftig Einzug. Landwirtschaft? Sehr ähnlich.

Nur ein Punkt tanzt in der Tabelle aus der Reihe: Vronis GU mit Katch-McArdle. Hier hat sie den höchsten Grundumsatz von allen Werten und das mag sogar stimmen, weil Vroni einen überdurchschnittlichen Anteil an Muskelmasse und auch entsprechend hohe Körperkraft für eine Frau ihrer Größe. Und Muskeln verbrauchen Energie – das schlägt sich da im Ergebnis nieder.

Zu viel Mathematik! -.-

Ja, ich gebe zu: es wäre unglaublich nervig, wenn man die obenstehenden Formeln auswendig lernen müsse und dann auch noch selber den Taschenrechner schwingen müsste.

Eine sinnvolle Übung fürs Gehirn zwar schon, aber wer macht das schon? Nicht viele Leute.

wöchentliche

Und außerdem sind Formeln, wie schon mehrfach erwähnt, sowieso immer nur ein grober Anhaltspunkt.

Wir nutzen gerne den Rechner von gesundepfunde.com, sowohl für den Grundumsatz als auch für den Leistungsumsatz.

Was ist Leistungsumsatz?

Der Leistungsumsatz ist die zweite Komponente, wenn es um die Abschätzung deines Energieverbrauchs und -bedarfs geht.

Auch als Arbeitsumsatz bezeichnet, wird hier abgeschätzt, wie viel Energie du durch Bewegung jeglicher Art umsetzt. Arbeit im Beruf, Bewegung im Sport, Haushalt, Einkaufen, am Computer oder vor dem TV. Man bewegt sich ja immer zumindest ein kleines bisschen.

Das ist noch schwieriger korrekt abzuschätzen als der Grundumsatz, denn hier gibt es noch viele viele zusätzliche Faktoren, die zu berücksichtigen wären. Natürlich kann man bestimmte Einschätzungen wieder über eine Stoffwechselkammer vornehmen. Trotzdem kann niemand exakt sagen, wie viele Kalorien du morgen in den 8-9 Stunden im Beruf verbrauchen wirst.

Jeder Tag ist ein bisschen anders
Sagen wir, du bist im Einzelhandel im Verkauf tätig. Den ganzen Tag auf den Beinen. Regale einräumen, Kunden beraten, kassieren… was man halt so alles macht.

Für Verkäufer gilt ein Mittelwert von 5.000 Schritten pro Tag als “erwiesen”. Aber das unterscheidet sich von Tag zu Tag halt doch deutlich. Ich hab Erfahrungswerte.

Früher war mein Tagesgeschäft der Computereinzelhandel und Computerwerkstatt. So richtig klassisch Ladenfläche mit Laptops, Monitoren, Zubehör und all dem Zeug und eine Werkstatt, in der wir kaputte Computer repariert und neue gebaut haben.

Und ich hatte ein Fitbit Armband.

An ruhigen Tagen mit wenig Kundschaft, waren es tatsächlich eher um die 3.000 Schritte am Tag, privat inklusive. An hektischen Tagen mit viel Kundschaft aber auch mal 15.000 Schritte. Wenn wir Inventur gemacht haben, kam ich auf ungefähr 10.000 Schritte und eine gefühlte Million Kniebeugen dazu. Warenlieferung? Schweres Zeug schleppen und auspacken.

Als wir dann in eine kleinere Ladenfläche umgezogen sind, hat sich die Anzahl der Schritte ungefähr halbiert – weil 10 Schritte von der Werkstatt bis in die Ladenfläche und dort dann 10 Schritte von rechts bis links einfach nicht viel Raum zum gehen lassen.

Für Verkäufer im Möbelhaus sieht es nochmal ganz anders aus: das kann viel weniger oder viel mehr sein – ja nachdem ob du durch die Ausstellungsflächen stromerst oder ob du einen feststehenden Planungsplatz in der Küchenabteilung von Ikea hast.

Kein Mensch kann das ordentlich einschätzen! Un-mög-lich!

PAL Faktor

Aber mit irgendwas müssen wir halt rechnen. Dieses “irgendwas” ist weniger kompliziert als die Berechnung des Grundumsatzes und heißt PAL-Faktor oder PAL-Wert. “PAL” ist die Abkürzung für “Physical Activity Level” und heißt auf Deutsch etwa “Physischer Aktivitätsgrad” und liegt zwischen 0,95 und 2,4 – je nach Tätigkeit.

Dieser Faktor oder Grad wird dann mit dem Grundumsatz multipliziert und schon hast du deinen Gesamtumsatz – oder, wenn du den Wert 1 vor der Multiplikation vom PAL-Faktor abziehst, deinen Leistungsumsatz.

Es wäre jetzt natürlich zu schön und zu einfach, wenn du einfach deinen vorher ermittelten Grundumsatz mit deinem PAL-Wert mal nehmen könntest und fertig. Aber das Leben ist meistens weniger einfach, als man es sich wünscht ;)

Was du nämlich machen musst, ist deinen Tag in Zeiträume mit verschiedenen Tätigkeiten und den zugehörigen PAL-Werten einteilen und DIE dann multiplizieren. Dann kannst du auf diesem Weg den Durchschnitt ermitteln und bekommst einen echteren Wert, der dein Leben wiederspiegelt.

Tabelle der PAL-Faktoren

TätigkeitBeispielPAL-Faktor
Schlaf… schlafen?0,95
nur sitzend oder liegendalte und gebrechliche Menschen, Krankheit oder Krankhausaufenthalt (bettlägerig), Rollstuhlfahrer1,2
fast ausschließlich sitzendSchreibtischtätigkeit, Computer, Couch + Netflix1,4-1,5
überwiegend sitzende Tätigkeit mit gelegentlichem Aufstehen/GehenKraftfahrer, Studenten, Laboranten, Büroarbeitsplatz mit Sitz-/Stehtisch1,6-1,7
überwiegend stehende/gehende TätigkeitVerkäufer, Kellner, Hausarbeit, Handwerker oder Shopping, langsame Spaziergänge, Party (ohne Tanzen)1,8-1,9
körperlich anstrengende TätigkeitPflegepersonal, Landwirte, Bauarbeiter, Wald- und Forstpersonal, Gärtner, manche Putzkräfte, Leistungssportler, Bergsteiger etc.2,0-2,4

Lass uns ein Beispiel bauen :)

Bürojob, ausreichend Schlaf, ein bisschen Haushalt und Besorgungen und ein bisschen Sport.

7 Stunden Schlaf mit PAL 0,95
8 Stunden im Büro mit PAL 1,4
2 Stunden Haushalt mit PAL 1,8
3 Stunden Couchpotato mit PAL 1,2
2 Stunden zu Fuß unterwegs mit PAL 1,8
1 Stunde Sport (joggen) mit PAL 1,9
1 Stunde mit Erledigungen mit dem Auto – PAL 1,6

Jetzt rechnen wir nach, ob wir wirklich 24 Stunden haben. Haben wir. Im nächsten Schritt multiplizieren wir dann die einzelnen Stundenbereiche mit dem zugeordneten PAL-Faktor und summieren die Ergebnisse.

Sieht dann etwa so aus:
(7 x 0,95) + (8 x 1,4) + (2 x 1,8) + (3 x 1,2) + …. = 32,15

32,15 ist jetzt die Summe aller errechneten PAL-Werte, gewichtet nach Stunden. Wenn wir das dann durch 24 (Stunden) teilen, dann bekommen wir doch tatsächlich den Durchschnittswert für den ganzen Tag. In unserem Fall 1,34.

Das bedeutet nichts anders, also dass wir jetzt GU * PAL-Faktor rechnen und damit den Gesamtumsatz erhalten oder GU * (PAL-Faktor – 1) für den reinen Leistungs- oder Arbeitsumsatz.

Bei einem Beispielmenschen mit (der Einfachheit halber) 2000 kcal GU kommen wir auf 680 kcal Leistungsumsatz oder eben 2680 kcal Gesamtumsatz.

Das klingt nun wieder nach viel Schreiberei und Rechnerei, aber auch dafür nutzen wir wieder den Rechner von gesundepfunde.com, der uns auf einfache Weise gute Ergebnisse liefert. Nett von den Jungs :)

Sport zum Abnehmen?

Wer ein bisschen mit den Werten rumspielt und versucht, einen besseren Faktor zu erzielen, der wird recht schnell feststellen, dass man fast nur an der Sportschraube drehen kann.

Die meisten Leute können oder wollen wenig an ihren beruflichen Umständen ändern. Weniger Schlaf um mehr Zeit für Bewegung zu haben ist eher nachteilig und Haushalt und so müssen ja trotzdem erledigt werden.

Also versuchen wir uns etwas mehr zu bewegen.

Was können wir also machen? Eine Stunde auf der Couch wegnehmen und zum Sport packen. Eine höhere Intensität als 1,9 wird man aber als Freizeitsportler kaum über längere Zeit erreichen – 2 Stunden mit einem PAL-Faktor von 1,9 sind schon ganz ordentlich.

Was macht dann der PAL-Faktor am Ende? In Summe nicht mehr 32,15 wie vorher, sondern 32,85 bzw. im Schnitt von 1,34 auf 1,37. Der daraus resultierende Leistungsumsatz ist nicht mehr 680 kcal, sondern 740 kcal (bei 2000 kcal GU).

Nicht viel, oder? Überhaupt nicht viel. Und kann auch nicht stimmen.

Bei regelmäßigem Sport setzt der PAL-Faktor ein wenig aus. Die Regel ist, dass jemand, der 4-5x pro Woche für 30-60 Minuten intensiven Sport betreibt – also seine Herzfrequenz dabei stark erhöht – seinem Tages-PAL 0,3 hinzurechnen darf.

Der Grund ist einfach zu verstehen: der tatsächliche Energieverbrauch ist über den PAL-Faktor kaum wiederzuspiegeln, aber auch nicht so hoch wie man oft meinen möchte. Ein großer Faktor ist aber doch, dass regelmäßiger Sport den gesamten Metabolismus ankurbelt und den durchschnittlichen Energieumsatz über einen erhöhten Grundumsatz ankurbelt, der sich wiederum in keiner mir bekannten Formel abgebildet wird.

Und ist ein erhöhter Grundumsatz durch Sport nicht auch wieder so etwas, wie ein passiver Leistungsumsatz?

Wenn wir nun die genannten 0,3 hinzurechnen, dann kommen wir auf einen durchschnittlichen PAL-Wert von 1,37 auf 1,67 und einen Leistungsumsatz von 1340 kcal statt 740 kcal. Und DAS wird dann richtig interessant.

Kann man also mit Sport abnehmen?

Die Antwort ist einfach: mit regelmäßigem Sport ja. Und zwar passiv. Wer aber alle 3 Wochen lang 30 Minuten joggen geht, bewirkt nichts.

Und jetzt mal völlig abgesehen davon, ob nun wirklich die Pfunde purzeln oder nicht: regelmäßiger Sport senkt den Streß, stärkt Herz, Lunge, Gehirn und alle anderen Körperfunktionen und trägt damit zur gesamten bei.

Also ja, gewöhn‘ dir Sport an, aber fang nicht an dabei Kalorien mit einzurechnen. Mach das zusätzlich für deine Gesundheit und für den Spaß, nicht statt gesunder Ernährung.

Weil, Sport kann eine gesunde Ernährung unterstützen aber schlechte Ernährung niemals ausgleichen.

Wie hoch sollte mein Defizit sein?

So hoch wie du es verträgst und durchhalten kannst. Und wie es für dich funktioniert.

Aber ja, du musst ja irgendwo anfangen. Grundsätzlich gilt dabei: du solltest niemals (dauerhaft) unter Grundumsatz essen, deswegen ist es auch so wichtig, den zu kennen.

Wir empfehlen Anfängern immer, ein Defizit von 20 % anzupeilen. Natürlich 20 % vom Gesamtumsatz (also Grundumsatz + Leistungsumsatz).

Beispiel:

2000 kcal Grundumsatz + 680 kcal Leistungsumsatz = 2680 kcal Gesamtumsatz – 20 % = 2144 Tageskalorien zum Abnehmen.

Wenn wir den Sportfaktor mit reinnehmen (PAL + 0,3), dann liegen wir bei 2000 kcal Grundumsatz + 1340 kcal Leistungsumsatz = 3140 kcal Gesamtumsatz – 20 % = 2512 Tageskalorien zum Abnehmen.

Warum jetzt also nicht mehr als 20 %? Mehrere Gründe.

  1. Du fällst mit mehr als 20 % Defizit schnell unter deinen Grundumsatz. Wenn du das einige lang Zeit machst, dann hast du Ruckzuck den Hungerzustand und dein Grundumsatz sinkt. Blöde Sache.
  2. Zu viel Defizit, selbst oberhalb des Grundumsatzes, kannst du nicht lange durchhalten, weil es dir nicht gutgehen wird oder du zumindest mit dem wenigen Essen bald frustriert bist. Das ist ja auch kein Leben und du suchst dir schnell eine andere Ernährungsempfehlung oder gibst einfach auf.
  3. Wenn du deine Nahrungszufuhr zu stark einschränkst, dann schränkst du auch zwangsläufig deine Mikronährstoffzufuhr ein – soll heißen, du landest auf jeden Fall bei einem Vitamin- und Mineralstoffmangel.

Es gibt zwei Ausnahmen, die ich persönlich von der “nie unter Grundumsatz” – Regel ausnehme.

Streng ketogene Ernährung. Wenn du tief in Ketose bist, dann holt sich dein Körper die “fehlende” Energie aus dem Depotfett und vermeidet den Hungerstoffwechsel damit. Zumindest ist das bei mir so und ich hab das in der Form auch in vielen Erfahrungsberichten gelesen. Trotzdem: es gibt genauso viele andere Ketarier, die in gar kein Kaloriendefizit empfehlen oder zumindest nicht tiefer als Grundumsatz.

Der zweite Punkt ist natürlich echtes Fasten, d.h. mehrere Tage komplett ohne Nahrung. Fasten hat den Vorteil, dass hier der Hungerstoffwechsel überhaupt nicht eintritt, sondern sich der Grundumsatz sogar erhöht. Dr. Jason Fung hat hierzu auf YouTube einige interessante Talks, wenn du des Englischen mächtig bist.

Defizit für Anfänger

Wenn du gerade am Anfang stehst, dann ist unser Rat also: peile 20% Defizit von deinem Gesamtumsatz an, falls das über deinem Grundumsatz liegt – ansonsten nimmst du einfach den Grundumsatz als tägliche Kalorienzufuhr.

Bleib dabei für zwei Wochen und bewerte dann, wie es dir geht. Kannst du das durchhalten und fühlst du dich gut dabei? Sehr gut, dann weiter.

Bist du nach zwei Wochen immer noch müde und abgeschlagen, obwohl du gesund bist und genug schläfst? Vermindere dein Defizit um 5 % absolut, also 15 % statt 20 % und probier's von vorne.

So kommst du zum Ziel.

Muss ich jetzt Kalorien zählen?

Ja, aber nicht für immer.

Wenn du deine Zielenergie gefunden hast, dann solltest du eine gewisse Zeit lang deine Lebensmittel protokollieren und kontrollieren, damit du einen Überblick hast.

Sonst bist du am Ende ziellos unterwegs und träumst dir deinen Tag schön, hast aber keine Ahnung ob du nun wirklich da bist, wo du sein willst.

Insofern empfehlen wir tatsächlich Tracking für mindestens 2 Monate. Wenn alles sitzt, dann kannst du intuitiv weitermachen und hin und wieder mal prüfen, ob du noch auf der Spur bist.

Wichtiger als die Kalorien sind bei Tracking aber noch die Nährstoffe. Wenn deine Makros nicht stimmen, dann bringt Kalorien zählen auf Dauer auch nichts mehr.

Aber dazu können wir in den nächsten Wochen genauer.

Liebe Grüße,
Nico

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Über Nico

Avatar-FotoNico ist Ernährungsberater, zertifizierter Fastenleiter und Keto-Experte. Er ernährt sich selbst seit 2014 Low Carb mit ketogenen Phasen. Bisher hat er damit über 40 kg abgenommen und hilft anderen, ihre Gesundheit durch Ernährungs- und Lebensstiländerungen zu verbessern.

Weiterbildungen: Ernährungs- und Gesundheitsberater (Isolde Richter), Fastenleiter (Isolde Richter)

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Krümelkekskoch

Saturday 26th of January 2019

Hallo Nico,

puh, das war eine ganz schöne Rechnerei! Aber schön zu wissen, dass ich mit meiner groben Schätzung ganz gut im Mittelfeld liege :-) Nur leider kann das, wie du schon so schön geschrieben hast, nur eine grobe Peilung sein, weil es dermaßen viele Faktoren in unserem Stoffwechsel gibt, von denen wir mit Sicherheit viele noch nicht mal kennen, dass ein mehr oder weniger genaues Errechnen unseres Kalorienbedarfs schon verdächtig in Richtung Augenauswischerei tendiert. Lass mich das mal am eigenen Beispiel verdeutlichen:

Ernährung umgestellt auf liberales LC: 10 Kilo weg. Verbessert auf mäßiges LCHF: 7 Kilo weg. Plateau erreicht. Frühling, Intermittierendes Fasten angefangen, Radfahren forciert: 5 Kilo weg. Atlaskorrektur: 5 Kilo weg. Medikament abgesetzt: 5 Kilo drauf. Mit Alpha-Liponsäure angefangen: 5 Kilo weg. Massenweise Überstunden (Radfahren), Nahrungsaufnahme vernachlässigt: 5 Kilo weg. Medikament abgesetzt: 5 Kilo drauf. Mistwetter, Radfahren aufs Nötigste beschränkt: Plateau.

Und die Feinheiten: Silvester zugeschlagen: 1 Kilo drauf. Am 1. Januar ganz normal gegessen: 1 Kilo wieder runter. Fünf Stunden geschlafen: 1 Kilo drauf. Am nächsten Tag acht Stunden geschlafen: 1 Kilo wieder runter. Stress gehabt, Probleme gewälzt: 1 bis 2 Kilo drauf. Problem gelöst, mit Schlips ins Bett gegangen: 1 bis 2 Kilo wieder runter. 20 Stunden gefastet: Null. Gar nicht gefastet: Null (trotzdem bei IF geblieben, wegen anderer Vorteile). Abends Schweinshaxe gegessen: Null. Abends Salatteller gegessen: Null.

Zeigt mir, dass das ganze Kalorienmodell, gelinde gesagt, auf sehr tönernen Füßen steht und der tatsächliche Energiebedarf eher ein Buch mit sieben Siegeln ist. Hinzu kommt noch ein Faktor, den die wenigsten auf dem Schirm haben: Wer schon mal in seinen Sicherungskasten geschaut hat, konnte erkennen, dass der mit Abstand größte Stromfresser der Elektroherd ist (wer E-Heizung und Durchlauferhitzer hat, kann die gerne noch mit dazuzählen). Das ist bei unserem Organismus nicht anders: der größte Teil der Energie geht dafür drauf, unseren Körper bei 37°C zu halten (die Schwestern in den Kurkliniken können ein Lied davon singen, wenn die Kurgäste draußen sind und sie erstmal die Heizungen wieder runterdrehen müssen). Werʼs nicht glaubt, kann sich ja mal eine richtige Fettbombe einverleiben und dann ohne Jacke in die Winternacht rausgehen. Der Unterschied ist enorm!

Und noch etwas sollten wir beachten: Fett ist nicht nur ein ausgezeichneter Energiespeicher, sondern auch ein hervorragender Wärmeisolator. Frag mal die Robben und Lachse. Aber auch unseren Vorfahren dürfte eine gehörige Speckschicht am Körper in so mancher eiszeitlichen Winternacht das Leben gerettet haben. Und die das mit dem allherbstlichen Fett speichern am besten konnten, durften dann im nächsten Frühjahr ihre Gene weitergeben. Bei wildlebenden Katzen kann man das sehr gut sehen, die sind im Winter ziemlich fett und im Sommer wieder gertenschlank – und die zählen ganz bestimmt keine Kalorien.

Ich persönlich finde, wir sollten nicht so sehr über die Kalorien nachgrübeln, sondern lieber lernen, wieder auf unseren Körper zu hören. Der sagt es uns nämlich, wenn er genug hat, und dem ist es schnurzegal, wie viel da noch auf dem Teller liegt. Und vor allem sollten wir die Angst verlieren, zu viel zu essen (ja, das geht schon in Richtung Challenge^^). Ein Blogger namens Sam Feltham hat nämlich genau das am eigenen Leib ausprobiert, mit erstaunlichen Ergebnissen: Teil 1: http://lowcarb-community.de/5794-kcal-am-tag/ Teil 2: http://lowcarb-community.de/was-passiert-wenn-man-5-794-kcal-am-tag-isst/

Sonnige Grüße aus der Winternacht der Krümelkekskoch

Nico

Wednesday 30th of January 2019

Hi,

danke für deinen ausführlichen Kommentar, ich bin froh, dass irgendjemand meine ellenlangen Artikel liest ;)

Grundsätzlich gebe ich dir recht, die ganze Kalorientheorie ist nur ein sehr grober Anhaltspunkt und ich bin grundsätzlich auch der Meinung, dass auch nicht jede Kalorienquelle bei jedem Menschen identisch wird - das zeigt beispielsweise die Forschung von Eran Segal (TED: "What is the best diet for humans?") recht eindrucksvoll - auch wenn man seine Forschung mit Vorsicht genießen sollte.

Wer sich - wie du und ich - in fortgeschrittener Weise mit Ernährung beschäftigt, den interessiert eine Kalorienbilanz nur noch am Rande. Aber Menschen, die jetzt gerade erst mit einer bewussten Ernährungsform beginnen, haben im Regelfall einfach überhaupt keine Ahnung, in welcher Größenordnung sich der eigene Energieumsatz denn so abspielt und wie er sich zusammensetzt. Und wie *wenig* Sport beispielsweise bringt, wenn man ihn nicht wirklich oft und intensiv betreibt.

Und genau dafür ist der Artikel eigentlich gedacht: Bewusstsein schaffen und die Möglichkeit, sich mit der Materie auseinanderzusetzen, denn da fängt alles an.

Sam Feltham ist saumäßig interessant und ich hab mir seine Challenges komplett zu Gemüte geführt. Was zeigt, ist, dass man mit striktem LCHF auch bei über 5.000 kcal nicht (oder kaum) zunimmt - er hat ja sogar ein bisschen Hüftumfang verloren. Allerdings muss man auch zugesehen, dass er sportliche mehr als nur ein bisschen aktiv ist, da steht schon einiges an Bewegung drin. Aber trotzdem sehr interessant, das beweist ja im Prinzip die Theorie, dass du mit viel genug Fett und wenig genug Carbs quasi nicht zunehmen *kannst*. Mangels Insulin eben :)

viele Grüße Nico